ME4F - Genese, Zweck, Zielgruppen und Roadmap
ME4F - Monitoring and Evaluation for future
Die Idee
Im Jahr 2021 kam Katja Musenberg (Parents for future) - mit der mich zu dem Zeitpunkt schon einige Jahre gemeinsamer Klimaaktivismus verband - zu mir, mit der Idee anhand von Transkripten bzw. Untertiteln, zu denen sie Zugang hatte, auszuwerten, wie oft das Wort Klima im Vergleich zu anderen Worten in der Tagesschau vorkommt. Der Zeitraum war noch sehr begrenzt, die Anzahl der Worte ebenfalls, zudem wollten wir uns zu dem Zeitpunkt nur mal einen allgemeinen Überblick verschaffen.
Die Genese
Schnell zeichnete sich ab, dass wir ein Problem aufgedeckt hatten. Der Begriff Klima war augenscheinlich unterrepräsentiert. Damit war die Idee geboren, das Tool, das derzeit technologisch noch auf "R" basierte (+ RMD + Shiny + MySQL) auszubauen und auf der Grundlage der Auswertungen einen offenen Brief an die Tagesschau zu schicken, was im Jahr 2022 auch geschah. Diverse deutsche Klimagruppen haben diesen unterzeichnet, eine Antwort gab es nicht.
Es kamen immer mehr Ideen hinzu, eine zweite und letztendlich eine dritte Version auf einem anderen Technologie-Stack (Symfony, chart.js, Docker, MariaDB, Clickhouse, Metabase, ...) sind entstanden, erst zur internen Verwendung durch Parents for Future Hamburg, final zur öffentlichen Nutzung. Es kamen sehr viel mehr Wörter (hunderte) und sehr viel mehr Sendungen hinzu (bald sind es 10.000)
Wieso denn ausgerechnet die Tagesschau und die Tagesthemen?
Schon oft wurde ich gefragt, warum es denn ausgerechnet die Tagesschau, ausgerechnet der ÖRR sein muss und warum man nicht bei den vermeintlich unseriöseren Sendungen oder Druckerzeugnissen von z.B. Springer-Presse, NIUS etc. anfängt.
Der ÖRR, die Tagesschau, DLF seien doch - zumindest häufig - die letzte Bastion seriöser und journalistisch integrer Berichterstattung.
Das stimmt; jedoch sehe ich - sehen wir - auch genau darin den besten Hebel. Zum einen schauen immer noch wirklich viele Menschen täglich die Tagesschau, zum anderen hege ich begründete Zweifel, dass man z.B. viele Springer/NIUS-Konsumenten davon überzeugen kann, die Berichterstattung zu hinterfragen, indem man sie kritisiert.
Allgemein ist mein persönlicher Eindruck, dass Menschen, die unseriösen Quellen, vielleicht sogar Verschwörungserzählungen oder menschenfeindlichen Gesinnungen anhängen, Fakten gegenüber wenig zugänglich sind und auf ihrer - oft unplausiblen - Meinung beharren.
Daher lautet meine Devise: Den guten Menschen die Mittel an die Hand geben, um noch besser zu werden. Denen, die den Mut und den Elan aufbringen, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen, die Werkzeuge an die Hand geben, mit denen sie wirksam werden können.
Zweck und Möglichkeiten heute
Heute ist das Tool längst zu einem Portal geworden, in dem man mit zweierlei (zurzeit sehr artverwandten - aber das wird sich noch ausdifferenzieren) Tools (Eigenbau + Metabase) das Vorkommen einzelner, ausgewählter Wörter in einem individuell gewähltem Zeitraum visualisieren kann. Das heißt, man hat die Möglichkeit, eigene Forschung zu betreiben und eigene Thesen zu verifizieren oder eben auch zu falsifizieren.
Dazu gibt es Artikel, die beleuchten, was einer klimafreundlichen Transformation zurzeit im Weg steht, systemisch und individuell. Ich finde es wichtig, Menschen, die auf das Portal und die Tools stoßen, Informationen und Denkanstöße an die Hand zu geben, die über den die Grundlagen schaffenden, aber eben auch sehr trockenen und technischen Ansatz hinausgehen und auch gesellschaftliche und individuelle Hemmnisse aufzeigen sowie Wege, diese zu überwinden; Wege, auf denen man sofort und unmittelbar Teil der Lösung werden kann.
Das neueste Feature - eine Mischung aus den beiden oben genannten Bereichen - stellen die Berichte/Reports dar. Diese halte ich für ein besonders vielversprechendes, ergänzendes Tool, da die Komplexität der Auswertungstools zwar äußerst mächtig ist, aber für viele Menschen gewiss auch erschlagend wirken kann. In einer Zeit, in der viele Menschen gewohnt sind, mundgerechte kleine Informationshäppchen zu konsumieren, kann es hilfreich sein, einfach zugängliche, mit Texten und Bildern versehene Berichte zu verfassen. Es ist uns möglich, mit geringem Aufwand Berichte zu erstellen, die statische und dynamische Elemente - beispielsweise tagesaktuelle Auswertungen - zusammenzufassen, fast wie eine Zeitung, die minütlich erscheint. Damit kann man bestimmte Themen, die gerade oder immer aktuell sind, benutzerfreundlich beleuchten und vielleicht anregen, selber mit den Daten zu experimentieren.
Zielgruppen
- Klima-Gruppen und Journalisten, die auf unseren Grundlagen eigene "Forschung" betreiben wollen
- Menschen, die sich für das Thema interessieren, eigene Vermutung prüfen und daraufhin bestenfalls in Aktion treten wollen
- Menschen, die interessante Berichte und Artikel lesen wollen und dadurch idealerweise in Richtung ihres eigenen Kipppunkts in Richtung Aufklärung begleitet werden können
- P4F + Friends, die eigene Artikel auf anderen Seiten stützen wollen mit Berichten, die wir dann schnell und individuell aus der Taufe heben können
- Auch ohne Bericht sind die eigens parametrisierten einzelnen Auswertungen verlinkbar ohne jedes Vorwissen; einfach die (ggf. längliche) URL kopieren.
- Jeder, der Auswertungen nutzen möchte, um den Klimaschutz zu unterstützen, darf dies frei und ohne Einschränkung tun. Ein Verweis auf uns wäre nett, ist aber nicht notwendig.
Roadmap - Ideen für die Zukunft
- Noch ein bisschen an der Performance schrauben
- Noch ein bisschen am Design schrauben
- Weitere Portale mit anderem Design und anderem Schwerpunkt auf der gleichen Basis umsetzen
- Andere Medienquellen analysieren
- Bundestag/Bundesrat: alle Plenarprotokolle und Drucksachen analysieren
- Eingebauter URL-Shortener
- Beta-Features für angemeldete Benutzer sichtbar machen
A.J. - 9.1.2025
Über das Projekt:
Das ME4F-Projekt dient der Aufzeichnung, Anzeige und Filterung von Daten, die mit dem Klimaschutz bzw. der Klimakrise in Verbindung stehen.
Dieses Werkzeug soll dabei helfen, Missstände und Verbesserungspotenzial im Bereich der Berichterstattung über die Themen Klimaschutz und Klimakatastrophe aufzudecken und zu visualisieren.
Zurzeit fokussieren sich die Auswertungen auf das Vorkommen bestimmter Begriffe in der Tagesschau und den Tagesthemen. Zukünftig werden wir weitere Auswertungen ergänzen.
Unser Wunsch ist es, jedem Menschen ein spielerisches Erkunden der Daten zu ermöglichen, so umfangreich und vielseitig, dabei aber auch so einfach und intuitiv wie möglich.
Schön wäre es, wenn auf diesem Weg auch die Tagesschau feststellen würde, dass sie in der Berichterstattung die Klimakrise nicht ausreichend berücksichtigt.
Schön wäre es auch, wenn jedem bewusst wird, dass auch eine so seriöse Nachrichtensendung wie die Tagesschau einer gewissen Aufmerksamkeitsökonomie unterliegt, das Interesse und die Informiertheit der Öffentlichkeit führen zu anderen Schwerpunkten und Formulierungen in der Berichterstattung im gleichen Maße, wie dies andersherum der Fall ist.
Und beides beeinflusst letztlich die politische Agenda.
Die Idee zur Analyse der Nachrichtensendungen ist gemeinsam mit Parents for Future Hamburg entstanden, aber diese Seite ist kein Unterprojekt von Fridays for Future oder Parents for Future Hamburg oder Deutschland. Dies ist ein eigenständiges Projekt.
Mit Hilfe des Tools konnte die AG Klimakommunikation (Parents for Future Hamburg) eine Sammlung einfacher exemplarischer Auswertungen erstellen und einen offenen Brief an die ARD übergeben, der von diversen deutschen Umwelt- und Klima-Gruppen unterzeichnet wurde.

Eine aussagekräftige Stellungnahme blieb meines Wissens bisher aus.
Durch unser Projekt wurde auch eine Forschungsgruppe um Dr. Tschötschel (Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften - Journalistik und Kommunikationswissenschaft) an der Uni Hamburg auf das Thema aufmerksam und hat eine unabhängige Studie durchgeführt.
Die Ergebnisse stützen unsere Aussagen: Egal ob man die Klimakrise als akute Krise betrachtet oder als "Dauerbrenner"-Thema, sie bleibt unterrepräsentiert.
Im persönlichen Kontakt mit Dr. Tschötschel konnte ich noch Tipps, Ideen und methodische Verbesserungsvorschläge austauschen. Danke dafür.
Inhaltsanalyse der „Tagesschau“ und des Gesamtprogramms von Das Erste, ZDF und WDR 2007 bis 2022 Der Klimawandel im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Von Robin Tschötschel, Norman Schumann, Rahel Roloff und Michael Brüggemann
Es geht bei diesem Projekt nicht um eine pauschale Medienschelte, sondern um eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem Thema.
Die Medien und die öffentlich-rechtlichen Nachrichten sind ein wichtiger Teil der Gesellschaft. Sie sind als sogenannte 4. Gewalt ein essentieller Teil der Demokratie und tragen eine große Verantwortung.
Sie leisten in ihrer Gesamtheit einen wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung und zur politischen Willensbildung und füllen auch ihre Rolle als Korrektiv der anderen drei Gewalten oft gut aus.
Trotz alledem bleiben sie nachweislich in der Berichterstattung zur Klimakrise hinter dem zurück, was weite Teile der Wissenschaft als notwendig erachten.
A.J. - 1.9.2024
Beispiele für Missverhältnisse in den Nachrichten
Hitzetod, Klimakrise, Mord, Terror
(Zu diesem Beispiel gibt es auch einen aktuellen Bericht mit interaktiven Grafiken)
Es ist um mehr als das hundertfache wahrscheinlicher in Deutschland einen Hitzetod¹ zu erleiden als Opfer eines Terroranschlags zu werden.
Es ist fast 10 mal so wahrscheinlich in Deutschland an einem Hitzetod¹ zu sterben wie an einem Mord.
Dennoch werden in den Nachrichten die Themen Hitzetod/Hitzetot¹ und Klimakrise 10-70 mal seltener erwähnt als die Themen Mord und Terror.
Hier geht es also nicht um geringfügige Abweichungen, sondern um eine vollkommene Verkehrung der Realität.
Die Realität in Deutschland:
Hitzetote | Gesamt | pro 100.000 |
---|---|---|
Hitzetote | 1300 | 1,6 |
Mordopfer | 695 | 0,8 |
Terroropfer | 0-8 | < 0,1 |
Das Bild in den Nachrichten:
Quellen:
WEF - Global Risks Report - Globale Bedrohungen der Wirtschaft
Das Weltwirtschaftsforum analysiert regelmäßig die globalen Risiken für die weltweite Wirtschaft und den Wohlstand und erstellt einen entsprechenden Bericht.
Dort sind die ersten sechs Punkte auf der Liste der globalen Langzeitrisiken (nach Schweregrad gelistet) Klima- und/oder ökologische Themen (denn auch Nr. 5. "Large-scale involuntary migration" geht zunehmend auf das Konto der Klimakrise).
Zum Vergleich: "Use of weapons of mass destruction" landet und Platz 28 und "Terrorist attacks" bilden das Schlusslicht auf Platz 32 (auch in 2024).
Zudem kommt im Report von 2024 auf Platz 5 noch gezielte Desinformation hinzu.
Gleichzeitig ist das Wort "Terror" in den letzten Jahren in den Nachrichten mehr als zehn mal so präsent wie das Wort "Klimakrise" und immerhin mehr als doppelt so häufig wie das Wort "Klimawandel".
Auch hier zeigt sich eine Verkehrung der Realität.
Hier findest du mehr dazu und weitere Beispiele.
Quellen:
-
Hier findest du Beispiele für Missverhältnisse zwischen realen Zuständen und deren Darstellung in den Nachrichten.
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Hier findest du Informationen zu Denkfabriken, die - anders als der ÖRR - tatsächlich falsche Informationen verbreiten, um den Klimaschutz zu verhindern.
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Hier erfährst du, was du selber tun kannst, um dem entgegenzuwirken und den Klimaschutz voranzubringen.
A.J. - 20.08.2024